JU bringt sich mit 12 Forderungen zur Verfassungsreform ein

Von Matthias Friehe, Vorsitzender des Arbeitskreises „Verfassungskonvent“

Die Hessische Verfassung (HV) ist älter als das Grundgesetz (GG). Schon seit 1946 regelt sie, wie in Hessen Politik gemacht wird. Während das Grundgesetz seit seinem Inkrafttreten sechzig Mal – teilweise umfangreich – geändert wurde, hat die Hessische Verfassung die vergangenen siebzig Jahre mit nicht einmal einem Dutzend Änderungen nahezu „unbeschadet“ überdauert. Diese Beharrungskraft ist in der Verfassung selbst angelegt. Neben einer „Ministerpräsidenten-Mehrheit“ im Landtag, muss jede Verfassungsänderung von einem Volksentscheid gebilligt werden. Diese verfahrenstechnische Änderungsfeindlichkeit der Hessischen Verfassung verhinderte 1995 die Absenkung des passiven Wahlalters von 21 auf 18 Jahre (vgl. Art. 75 Abs. 2 HV), weil sich knapp sechzig Prozent der Bevölkerung dagegen aussprachen. Zu anderen Fragen hat der Hessische Landtag das Volk bisher erst gar nicht gefragt – etwa zur Abschaffung der Todesstrafe, deren Anwendung die Hessische Verfassung nach wie vor „bei besonders schweren Verbrechen“ erlaubt (Art. 21 Abs. 1 S. 2 HV).

Altlasten in der Verfassung

Einige Bestimmungen der Hessischen Verfassung wirken nicht nur aus der Zeit gefallen, sondern sind de facto schon länger nicht mehr anwendbar. Denn Bundesrecht bricht Landesrecht (Art. 31 GG). Beispielsweise darf die Todesstrafe seit 1949 natürlich auch in Hessen weder ausgesprochen noch gar vollstreckt werden, weil sie durch das Grundgesetz abgeschafft wurde (Art. 102 GG). Weite Teile der sozialistisch beeinflussten Wirtschaftsverfassung werden ebenfalls vom Grundgesetz gesperrt. Das gilt etwa für das kategorische Verbot der Aussperrung (Art. 29 Abs. 5 HV). Unterschiedliche Ansichten gibt es dagegen zu der Frage, ob Angehörige der vor 1918 in Deutschland oder immer noch im Ausland regierenden adligen Häuser trotz Art. 101 Abs. 3 HV Mitglieder der Landesregierung werden können. Ein erster Anlauf für eine umfassende Reform der Hessischen Verfassung scheiterte 2005 an der Blockadehaltung der SPD. In der Hochphase der Agenda-Politik beharrte die hessische SPD auf den ohnehin obsoleten, aber symbolischen Bestimmungen der Wirtschaftsverfassung. Dass die schwarz-grüne Koalition jetzt einen erneuten Reformprozess angestoßen hat, geht mit auf eine Forderung des JU-Landestags von 2013 in Wiesbaden zurück. Zu den zentralen Forderungen des Grundsatzantrages gehört neben der Abschaffung der Todesstrafe auch ein erneuter Versuch, das Mindestalter für die Wählbarkeit zum Hessischen Landtag auf 18 Jahre zu senken. Diese Kernforderungen wurden im schwarz-grünen Koalitionsvertrag fest vereinbart. Sie sollen notfalls auch gegen Widerstand der Opposition verabschiedet und zeitgleich mit den Landtagswahlen dem Volk zur Abstimmung vorgelegt werden.

Einbindung der Bürger

Der Verfassungskonvent des Hessischen Landtags lädt alle Bürgerinnen und Bürger ein, sich aktiv in den Diskussionsprozess einzubringen. Als Reaktion auf dieses offene Format hat die JU Hessen einen Arbeitskreis initiiert, in dem weitere Ideen für die Verfassungsreform gesammelt wurden. Der Landesvorstand hat im Dezember ein entsprechendes Positionspapier beschlossen. Neben den bereits genannten Kernforderungen macht sich die JU darin dafür stark, in der Präambel der Verfassung einen Gottesbezug zu verankern. Hessenlöwe als Wappentier und das Hessenlied als Hymne sollen Eingang in die Verfassung finden und so die hessische Identität stärken. Der Grundrechtskatalog soll um ein „Computer-Grundrecht“ erweitert und damit richtungsweisend für grundrechtliche Herausforderungen im digitalen Zeitalter werden. Mit den Staatszielen Ehrenamt und Kultur soll den in diesen Bereichen Tätigen Wertschätzung gezeigt werden, während das neu zu schaffende Staatsziel Generationengerechtigkeit die Politik an ihre Verantwortung zukünftigen Generationen gegenüber erinnern will. Eher „technischer Natur“, aber für die Glaubwürdigkeit der politischen Institutionen wichtig, sind Vorschläge zur Stärkung der Unabhängigkeit des Hessischen Landesverfassungsgerichts (Staatsgerichtshof) und für ein neues Wahlprüfungsverfahren. Die repräsentative Demokratie soll gestärkt werden, indem bei Kommunalwahlen wieder ein Mindestquorum eingeführt und zugleich die Direktwahl der Landräte, die sich mangels ausreichender Wahlbeteiligung nicht bewährt hat, wieder abgeschafft wird.

Schutz der christlichen Feiertage

Der JU-Forderungskatalog schließt damit, dass künftig die bestehenden christlichen Feiertage verfassungsrechtlich geschützt werden sollen. Bisher ist nur der 1. Mai als Tag der Arbeit verfassungsrechtlich geschützt, während die übrigen Feiertage lediglich im Feiertagsgesetz geregelt sind. Als neuen zusätzlichen Feiertag will die JU den Reformationstag verfassungsrechtlich schützen. Neben vielen „abstrakten“ Bestimmungen hätte diese Neuregelung unmittelbaren Einfluss auf das Leben der Bürger. Sie hätten künftig einen Tag mehr im Jahr frei. Zugleich wäre die Neuregelung ein starkes Signal im Hinblick auf unsere christliche und speziell auch protestantische Tradition in Hessen.

12 Forderungen zur hessischen Verfassungsreform

  1. Aufnahme eines Gottesbezugs in die Hessische Verfassung

  2. Absenkung des passiven Wahlalters auf 18 Jahre

  3. Staatsziel der Generationengerechtigkeit und Nachhaltigkeit

  4. Staatszielbestimmung Kultur

  5. Staatszielbestimmung Stärkung des Ehrenamtes

  6. „Computer-Grundrecht“

  7. Bekenntnis zu Hessen-Löwe und Hymne

  8. Stärkung der Unabhängigkeit des Hessischen Staatsgerichtshofs (HessStGH)

  9. Wahlprüfung durch HessStGH

  10. Abschaffung der Direktwahl der Landräte

  11. 2,5%-Hürde bei Kommunalwahlen

  12. Aufnahme der christlichen Feiertage einschließlich des Reformationstags in die Hessische Verfassung

In der öffentlichen Debatte zur Verfassungsreform gibt es teils noch andere Vorschläge. Einige davon weisen eindeutig in die falsche Richtung. Wir stehen für:

  1. Keine Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre

  2. Erhalt des Volksentscheids bei Verfassungsänderungen

Die komplette, vom Landesvorstand beschlossene Stellungnahme findest Du in unserem Beschlussarchiv.

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Dr. Stefan Heck

Landesvorsitzender