Immer mehr Schülerinnen und Schüler beenden die Schule mit dem Abitur. Was folgt? Das Studium. Die wenigsten streben nach der Schule eine Ausbildung im Handwerk an. Die meisten denken nicht mal ansatzweise daran, dass auch eine Ausbildung prima Zukunftschancen bietet. Klar ist: Nicht jedem Menschen liegt ein Studium und oftmals ist das Studienfach doch nicht das richtige und es folgen Studienabbruch, ein Fachwechsel oder ein „Langzeitstudium“.
Doch woran liegt das? Zum einen wird die Berufsorientierung an den Schulen eher stiefmütterlich behandelt. Die meisten Lehrer empfehlen ihren Schülern nach dem Abitur ein Studium anzustreben. Wie soll es auch anders sein, wenn man als Lehrer selbst nicht so genau weiß, was eine Ausbildung im Handwerk mit sich bringt. Zum anderen hat sich allgemein die Überzeugung verfestigt, dass man nur mit einem akademischen Abschluss wirtschaftlich erfolgreich sein kann. Ein Trugschluss.
Das Handewerk bietet eine enorme Bandbreite an Möglichkeiten, denn auch im Handwerk kann man gutes Geld verdienen. Gesellschaftlich und politisch ist das Handwerk in Vergessenheit geraten. Dabei ist gerade das Handwerk die Wirtschaftsmacht, die die Energiewende voranbringt und das Fundament in vielen Bereichen unseres alltäglichen Lebens bildet. Es ist wichtig, dass eine Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung geschaffen wird.
Der Nachwuchs- und Fachkräftemangel ist durch den demographischen Wandel seit Jahren ersichtlich und entsprechende Konsequenzen bereits spürbar. Die Interessenvertretungen – beispielsweise die Handwerkskammern – weisen die Politik darauf auch regelmäßig hin. Handlungsspielraum hatte die Politik also genügend, um Veränderungen in der Berufsorientierung und Beruflichen Bildung umzusetzen.
Was also ist zu tun?
Ein erster Schritt wäre eine bessere Berufsorientierung an Schulen. Hierbei wäre die Einführung des Werkunterrichts in allen Schulzweigen denkbar. Neben dem theoretischen Wissen muss nämlich auch mal praktisch Erfahrungen gesammelt werden. Ebenso sollte für Lehrkräfte in ihrer Ausbildung ein verpflichtendes Praktikum in einem Handwerksbetrieb eingeführt werden, um so einen Einblick in eine unbekannte Arbeitswelt zu geben und den Horizont für die berufliche Orientierung zu erhalten. Auch ist es dringend erforderlich, dass das Image von Ausbildungsberufen deutschlandweit aufgebessert wird. Das Bild des bierbäuchigen Bauarbeiters, der Frauen hinterherpfeift muss durch ein positiveres Bild ersetzt werden, was dem Handwerk und den Ausbildungsberufen im Allgemeinen gerecht wird. Das bedeutet auch mehr Respekt und Wertschätzung, die sich nicht nur in entsprechenden Gehältern niederschlägt. Wer will denn schon Krankenpfleger oder Industriemechanikerin werden, wenn einem in den Medien von Jung auf vermittelt wird, dass die wirklich erstrebenswerten Berufe die der Ärztin, des Juristen oder des Managers sind.
Ein Anfang wird durch einzelne Initiativen gemacht:
In den kommenden Jahren wird in Frankfurt-Rödelheim ein Campus für Berufliche Bildung entstehen. Ein bundesweites Leuchtturmprojekt, das einen neuen Raum für die Berufliche Bildung bietet. Das Handwerk selbst bietet unabhängig von der Politik auch Möglichkeiten zur Berufsorientierung wie das Lehrstellenradar, mit welchem man Praktikums- und Ausbildungsstellen finden kann. Außerdem sollte man den vielen Studierenden, die kurz vor einem Studienabbruch stehen, aktiv neue berufliche Perspektiven eröffnen. Dies geschieht in Frankfurt beispielsweise mit dem Programm YourPush, einer Kooperation zwischen der Goethe-Universität und der Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main. Dabei stehen jungen Menschen Beraterinnen und Berater zur Seite, um ihnen, wenn möglich eine Praktikums- oder Ausbildungsstelle im Handwerk zu vermitteln.
Dem Fachkräftemangel sollte der deutsche Staat auch mit einer besseren Einwanderungspolitik begegnen. Mit dem WelcomeCenter Hessen wurde eine zentrale Service- und Beratungsstelle geschaffen, mit welcher internationale Fachkräfte und Unternehmen zueinander finden können.
Das Handwerk bietet so viele unterschiedliche Möglichkeiten, ob gerade die Schule beendet oder schon vorher etwas anderes gemacht wurde. Man muss nur aufmerksam darauf werden. Dafür werden bereits Schritte unternommen, doch bis auch die Gesellschaft und die Politik daraus die entsprechenden Schüsse zieht, wird wohl noch etwas Zeit vergehen. Vielleicht wenn die letzten der geburtenstarken Jahrgänge in den verdienten Ruhestand gegangen sind. Aber dann ist es sicher schon zu spät.
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